Bewertung von Anpassungsmaßnahmen

Bewertung von Anpassungsmaßnahmen

Im Rahmen der Umsetzungsphase von BREsilient werden für die bremische Verwaltung die bereits entwickelten Kosten-Nutzen Analysen zu ausgewählten Klimaanpassungsmaßnahmen konkretisiert, aufbereitet und um weitere Ökosystemleistungen, wie z. B. gesundheitliche Effekte von Straßenbäumen ergänzt. Im Fokus steht hierbei das Handlungskonzept Stadtbäume. Durch die praxisorientierte Aufbereitung der Nutzendimension urbanen Grüns, insbesondere von Stadtbäumen, werden Prozesse der Stadtplanung und Stadtentwicklung sowie des Stadtumbaus systematisch mit abwägungsrelevanten Informationen unterstützt.

Die Ergebnisse fließen in ein Beratungstool ein, durch welches u. a. analysiert werden kann, wo die Effekte von mehr Stadtgrün ökonomisch und regional am stärksten wirken. Darüber hinaus werden Handlungsempfehlungen zur Einbindung der Analysen in konkrete Planungs- und Entscheidungsprozesse erarbeitet, mit dem Ziel, den (politischen) Willensbildungsprozess hin zu einer klimaresilienten Stadtentwicklung weiter zu unterstützen.

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Hintergrundinformationen zur Forschungs- und Entwicklungsphase

Ausgangssituation

Die Klimaanpassungsstrategie für Bremen und Bremerhaven benennt zahlreiche Schlüsselmaßnahmen zur Vorsorge und zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels für Mensch, Umwelt, Gebäude und Infrastruktur. Für die Umsetzung werden in den kommenden Jahren finanzielle Mittel und Aufwendungen des Landes und seiner beiden Stadtgemeinden notwendig. Einen zentralen Zwischenschritt auf dem Weg zur Umsetzung stellt die Bewertung der verschiedenen Handlungsoptionen dar. So ist bei vielen angestrebten Maßnahmen noch nicht bekannt, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sie in der Region haben werden. Ebenso ist noch unklar, wie hoch die Kosten jeweils ausfallen, welche positiven Effekte (Nutzen) damit verbunden sind, und wer die Kosten trägt bzw. wer von den Nutzen profitiert.

Ziele

Ziel war es, gemeinsam mit den Expertinnen und Experten aus Politik und Verwaltung das Wissen zu den positiven und negativen Auswirkungen von Schlüsselmaßnahmen der Bremer Klimaanpassungsstrategie zu vertiefen. Zu diesem Zweck wurden eine regionalökonomische Analyse und eine beteiligungsorientierte, erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse für ausgewählte Schlüsselmaßnahmen der Bremer Klimaanpassungsstrategie durchgeführt. Dabei wurden die Nutzen der ausgewählten Anpassungsmaßnahmen unter Einbeziehung nicht-marktlicher Umwelteffekte, so genannter Ökosystemleistungen, den Kosten in einem vergleichbaren monetären Wertmaßstab gegenübergestellt, um das politisch-administrative System bei der Entscheidungsvorbereitung und Abwägung zwischen verschiedenen Optionen im Rahmen der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen.

Vorgehensweise/Beteiligungsformate

Durch das Reallabor „Intersektorale Priorisierung von Anpassungsmaßnahmen“ wurden verschiedene Vertreter*innen aus dem politisch-administrativen System in den Entwicklungsprozess der Analysen einbezogen. Eine dreiteilige Workshop-Reihe umfasste Abstimmungen u. a. zur Auswahl der betrachteten Maßnahmen und ihrer Effekte, zu Kosten-Nutzen-Betrachtungen ausgewählter Maßnahmen und zur Bewertung von Handlungsoptionen, um Abwägungen angesichts knapper Haushaltsmittel zu ermöglichen. Zwischen den drei Workshops wurden mit den fachlich zuständigen Personen bilaterale und Kleingruppen-Gespräche geführt. Im ersten Workshop wurden v. a. die Maßnahmen „zusätzliche Straßenbäume“ und „zusätzliche Dach- und Freiflächenbegrünung“ in Anlehnung an Schlüsselmaßnahmen aus der „Klimaanpassungsstrategie Bremen.Bremerhaven“ durch die Teilnehmenden gemeinsam ausgewählt. In einem weiteren Workshop wurden die Maßnahmen konkretisiert sowie ein jeweils möglicher Umfang der Klimaanpassungsmaßnahmen für zwei verschiedene Umsetzungsszenarien (moderat und ambitioniert) festgelegt.

Das IÖW analysierte die regionalökonomischen Wirkungen der ausgewählten Maßnahmen, wie z. B. Bruttowertschöpfung, Beschäftigteneinkommen, Arbeitsplatzeffekte und Steuereinnahmen und stellte diese den Kosten für die Umsetzung dieser Anpassungsmaßnahmen im Rahmen einer regionalisierten Input/Output-Rechnung gegenüber. Durch qualitative Wertschöpfungskettenanalysen wurden u. a. Verteilungseffekte auf beteiligte Berufsgruppen untersucht.

Zudem führte das IÖW eine beteiligungsorientierte erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse durch, um die Kosten der einzelnen Anpassungsmaßnahmen mit deren Nutzen vor allem hinsichtlich ihrer Regulierungsleistungen und ihrer kulturellen Leistungen gegenüberzustellen. Die Erfassung der Nutzen erfolgte zum einen durch die vermiedenen Schäden (z. B. durch die Minderung von Luftschadstoffen oder Treibhausgasen), zum anderen durch direkte und indirekt entstehende Nutzen für die betroffene Bevölkerung, wie z. B. Verbesserung des Stadtbildes und positive Wirkungen auf den Lebensraum. Mit Hilfe einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung wurden hierfür die Präferenzen der Bremer Bürger*innen im Hinblick auf verschiedene mögliche Gestaltungsvarianten erfragt und in monetären Einheiten ausgedrückt. Die Ergebnisse der erweiterten Kosten-Nutzen-Analysen wurden durch die dreiteilige Workshop-Reihe in die Abstimmungsprozesse integriert.
In einem weiteren Schritt wurde die beteiligungsorientierte ökonomische Betrachtung von Anpassungsmaßnahmen aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive hinsichtlich ihrer Funktion im Politikprozess analysiert. Dazu wurden von der Universität Oldenburg gemeinsam mit dem IÖW auf Basis von Literaturanalysen sowie von Interviews mit Entscheidungsverantwortlichen in der Bremer Verwaltung zu Wahrnehmungen von ökonomischen Bewertungen Erfolgsfaktoren für die Integration von ökonomischen Analysen in die Entscheidungsfindung und ihre verständliche Kommunikation identifiziert.

Ergebnisse

Die Analysen ergaben, dass eine moderate Maßnahmenumsetzung der betrachteten Maßnahmen (jährlich 140 zusätzliche Straßenbäume, 22.000 m² zusätzliche Dachbegrünung und 60.000 m² zusätzliche Freiflächenbegrünung über 10 Jahre bis 2030) zu regionalen Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten für das Land und die Stadtgemeinde Bremen sowie für die wirtschaftlich verflochtenen Nachbarregionen Niedersachsens von bis zu 2,7 Mio. € pro Jahr und 55 Vollzeitarbeitsplätzen (v. a. im Straßenbau, Garten- und Landschaftsbau) führen kann. Bei einem ambitionierten Umsetzungsszenario wären diese Effekte in etwa doppelt so hoch.

Die Ergebnisse der erweiterten Kosten-Nutzen-Analyse, in der verschiedene Effekte (wie Rückhalt von Treibhausgasen, Wirkungen auf Stadtbild und Lebensraum, Wasserrückhalt) dieser Anpassungsmaßnahmen quantifiziert und monetär bewertet wurden, belegte, dass die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen für die Stadt Bremen auch gesamtwirtschaftlich vorteilhaft wäre. Bei einem Betrachtungshorizont bis 2050 liegt der Nettonutzen – je nach Szenario – zwischen 76 Mio. € und 174 Mio. €.

Die individuelle Wertschätzung für die verschiedenen Grünmaßnahmen (ermittelt in einer Bevölkerungsumfrage) zeigte sich für Straßenbäume als besonders hoch: Im Durchschnitt sind die Bremer*innen hypothetisch dazu bereit, jährlich 48 € pro Person für eine stadtweite Ausweitung von Straßenbäumen um 20 % zu zahlen. Der hohe monetäre Nutzen der Bremer Straßenbäume ergibt sich neben dem Rückhalt von Treibhausgasen und Luftstickstoffen daher insbesondere durch die hohe Wertschätzung in der Bevölkerung aufgrund ihrer positiven Wirkung auf das Stadtbild und ihre Lebensraumfunktion. Der monetäre Nutzen (50 Mio. €) bis 2050 übertrifft bei einem moderaten Umsetzungsszenario zusätzlicher Straßenbäume (140 Straßenbäume pro Jahr bis 2030) die dafür bis 2030 aufgewendeten Pflanz- und Pflegekosten (6,8 Mio. €) um ca. 43 Mio. €.
Der hohe monetäre Nutzen von 111 Mio. € bis 2050 bei einer moderaten Umsetzung zusätzlicher Dach- und Freiflächenbegrünung ergibt sich nach einer hohen Wertschätzung in der Bevölkerung und daraus abgeleiteten hypothetischer Zahlungsbereitschaft an zweiter Stelle durch ihre Versickerungs- und Verdunstungsleistung und damit der Regulierung des Wasserhaushalts insbesondere bei Starkregenereignissen (17 Mio. €). Der Nettonutzen einer zusätzlichen Dach- und Freiflächenbegrünung variiert je nach Umsetzungsszenario zwischen 33 Mio. € und 66 Mio. € und befördert zusätzliche Wertschöpfungseffekte von jährlich 2,5 Mio. € bis 5 Mio. € bis 2030.

Im Rahmen der Workshop-Reihe und in den weiterführenden Interviews mit Expert*innen zeigte sich, dass das Gesamtergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse als entscheidungsunterstützendes Argument für den politischen Prozess als hilfreich angesehen wird. Hierbei wurde insbesondere die Betonung und Argumentationshilfe des Wertes „weicher“ Aspekte (d. h. nicht-marktlicher Güter wie Stadtbild und Lebensraum) als nützlich hervorgehoben. Einige Kosten-Nutzen-Ergebnisse fanden bereits Anwendung in verwaltungsinternen Entscheidungsprozessen. Für die bessere Unterstützung von Planungsprozessen wurde jedoch der Bedarf nach Einbindung weiterer Nutzen (z. B. vermiedene Gesundheitskosten durch mikroklimatische Effekte von urbanem Grün), die Erweiterung der Analysen auf Stadtbäume (nicht nur Straßenbäume), die Einbeziehung von qualitativen und nicht nur quantitativen Verbesserungen im Baumbestand, eine präzisere und tiefere räumliche und zeitliche Auflösung und Skalierbarkeit der Effekte sowie eine präzisierte Weiterentwicklung der regionalwirtschaftlichen Effekte hinsichtlich konkreter Zahlungsrückflüsse (wie Steuereinnahmen) genannt. Weiterer Entwicklungsbedarf besteht in einer noch stärkeren praxisorientierten Anpassung und stadtspezifischen Aufbereitung der Effekte.